Oval ist das neue Rund
Deutsche Konzerne haben sich beim Sport-Sponsoring bisher auf den Fußball konzentriert. Doch langsam entdecken sie, dass andere Sportarten lukrativer sein können – wie etwa Rugby
Am Ende des Werbespots stoppt das Auto vor dem englischen Heiligtum des Sports. Das Stadion, das in den Himmel von London ragt, ist aber nicht Wembley, der Tempel des Fußballs, sondern: Twickenham. Kaum ein deutscher Sportfan kennt diese Arena, eröffnet 1909, gut 14 Jahre vor Wembley. Doch hier findet bald das Finale des größten globalen Sportereignisses dieses Jahres statt. 82.000 Zuschauer auf den Rängen und Hunderte Millionen Menschen an den Fernsehern werden das Endspiel dieses Events olympischer Ausmaße verfolgen: die Rugby-Weltmeisterschaft.
Deutschland wird das Turnier, das am 18. September beginnt, wieder ignorieren. Bis auf einige Konzerne. "BMW – stolzer Fan des englischen Rugby", prangt in den letzten Sekunden des Werbespots mit der Twickenham-Arena auf dem Bildschirm. Neben dem Autobauer aus München sponsern auch die Deutsche-Post-Tochter DHL und Adidas das Turnier. Sie investieren große Summen, um präsent zu sein, wenn 20 Teams sechs Wochen lang versuchen, den ovalen Ball mit Tacklings zu erobern und über die Grundlinie des Gegners zu tragen. 2,8 Millionen Besucher erwartet England, Deutsche werden kaum darunter sein. Die Rugby-Nationalmannschaft ist in der Qualifikation gescheitert – so wie bei jeder Weltmeisterschaft zuvor.
Jahrzehntelang konzentrierten sich Konzerne aus Deutschland nahezu ausschließlich auf den Nationalsport ihres Heimatmarktes, Fußball. Milliarden gaben sie aus für Trikotwerbung, Banden und Stadionfronten – und übersahen das Potenzial anderer Sportarten, die im Ausland populär sind. So wie Rugby, Baseball, American Football oder Cricket. Doch einige wenige Firmen erkennen aber mittlerweile, dass sie mit einem Einsatz dort Hunderte Millionen Fans ansprechen können, gut situierte, zahlungskräftige Kunden. Und die Werbung oft billiger ist als im Fußball.
"Es kann eine sehr gute Idee für ein Unternehmen sein, in eine andere Sportart zu gehen", sagt Gerd Nufer, Professor für Sportmarketing in Reutlingen. "In eine Sportart, die weltweit eine sehr hohe Aufmerksamkeit genießt, wo die Preise aber noch deutlich moderater als beim Fußball sind." Zuletzt sind die eingesetzten Summen dort nahezu explodiert. So darf Adidas für zehn Jahre die Trikots des englischen Traditionsklubs Manchester United stellen – zum Preis von einer Milliarde Euro. Und um als Hauptsponsor exklusiv bei der Fußball-WM auftreten zu können, zahlen Unternehmen angeblich 50 Millionen Euro an die Fifa. Das mag Sinn ergeben, wenn man auf die Rangliste der größten Einzel-Sportevents der Welt blickt. Die Fußball-WM zieht die meisten Zuschauer an. An zweiter Stelle aber folgt die Rugby-WM, noch vor der Fußball-Europameisterschaft. Und dahinter kommen schon die großen Cricket-Turniere.
Die Manager von BMW sahen sich diese Zahlen vor einigen Jahren an – und entschieden, die Top-Mannschaften zu unterstützen. Inzwischen sponsern die Münchner vier der fünf erfolgreichsten Nationalteams: England, Australien, Südafrika und Frankreich – das zuvor vom Konkurrenten Renault gesponsert wurde. Vier Millionen Euro pro Jahr zahlt BMW. Überschaubar, wenn man es mit Fußballpreisen vergleicht. "Rugby ist ein effizienteres Sponsoring, was die Kosten angeht", sagt Thorsten Mattig, Leiter des BMW-Sportmarketings. Doch etwas anderes sei wichtiger: "Rugby ist vor allem ein Premiumsport, der BMW eine ganz neue Zielgruppe erschließt."
Tatsächlich ist Rugby in England ein Sport der bürgerlichen Schichten. Auch in Frankreich gilt das raubeinige Ballspiel paradoxerweise als zivilisiert, der Fußball eher als Sport der ungehobelten Einwanderer in den Vorstädten, erst recht seit manch unrühmlichem Auftritt der Nationalmannschaft. Kaum eine große Rubgy-Nation, in der das Spiel mit den hohen Torstangen nicht Sache des Establishments wäre. "Aus der Zielgruppe der Rugby-Fans kommen viele als potenzielle BMW-Käufer infrage", sagt Andreas Ullmann, Experte für Sportmarketing beim Beratungsunternehmen Repucom. Und Rugby hat ein sauberes Image. Der Sport mag auf den ersten Blick ungestüm, hart und brutal sein – doch zugleich ist er ehrlich, fair, verläuft ohne Meckern, Schwalben und Tätlichkeiten. Sein bürgerliches Publikum verbindet Rugby mit dem Cricket, genau wie die zentrale Rolle der Fairness: Cricket hat einen 250 Jahre alten Kodex, der bis heute gilt. Schon die Präambel besagt, dass Widerspruch gegen den Schiedsrichter die Ideale des Cricket verrät.
Nicht zuletzt solche Werte ziehen Firmen an. So wie die Allianz, die Teams der ersten Rugby-Liga in England und Australien sponsert. In Deutschland fände der Versicherungskonzern nur Orte wie das hessische Heusenstamm, den Schauplatz der letzten großen Niederlage der deutschen Rugby-Nationalmannschaft. Gut 3000 Zuschauer verfolgten im Februar das Spiel im Kultur- und Sportzentrum des Städtchens. Am Ende stand ein 8:64 gegen Georgien. "Eine Niederlage, die Mut macht", steht nach dem Spiel über einem Zeitungsartikel. Vor dem Match war noch Schlimmeres erwartet worden gegen die Nummer 14 der Weltrangliste. Weil Deutschland im Rugby etwa den Status von Finnland im Fußball hat, gilt es schon als Erfolg, gegen die Großen des Sports ein paar Ehrenpunkte zu machen. Der Einzige, der im Inland große Summen in den Sport steckt, ist Hans-Peter Wild. Der Unternehmer, dessen Firma die Capri-Sonne erfand, ist großer Rugby-Liebhaber.
Den Glanz des Sports findet man anderswo. Nicht nur in den fünf großen Rugby-Nationen – Australien, England, Frankreich, Neuseeland und Südafrika. Sondern auch in Schottland, Wales und Irland, in Argentinien, Japan, Italien, Rumänien, Russland, Südafrika, den USA und Kanada. "Die Sportart hat schon längst eine globale Bedeutung", sagt Sponsoring-Experte Ullmann. Deswegen zählt der Paketkonzern DHL, der 60Prozent seiner Umsätze im Ausland macht, zum zweiten Mal zu den Hauptsponsoren der Weltmeisterschaft. "Rugby genießt in sehr unterschiedlichen Ländern eine hohe Aufmerksamkeit", sagt Fiona Taag, die globale Sponsoring-Chefin von DHL. Als Teil seiner WM-Werbung bringt die Tochter der Deutschen Post während des Turniers aus jedem Teilnehmerland einen Menschen als "Botschafter" nach England.